Warum Verschwörungserzählungen keine Theorien sind

von | Feb 9, 2024

Ein Super Bowl mit Taylor Swift im Stadion: Das ist für die NFL attraktiv. Deshalb unterstellen ihr Verschwörungserzähler, dass die NFL die Beziehung der Pop-Ikone mit dem Chiefs-Profi Travis Kelce inszeniert hat, um mehr Zuschauer vor die Bildschirme zu locken und die Wahlchancen von Joe Biden zu erhöhen. Klingt abstrus? Wenn man die Anhänger von Donald Trump fragt, ist das die reine, tiefe Wahrheit. Und mit Wahrheit kennt er sich aus.

Solche Erzählungen gedeihen gut in Sozialen Medien. Von Algorithmen verstärkt und in Filterblasen reproduziert geraten immer mehr Menschen in den Sog der Verschwörungserzählungen und landen im Kaninchenbau alternativer Wirklichkeiten. So wie es Alice im Wunderland erging, als sie einem Kaninchen in den Tunnel folgte und dann immer tiefer fiel.

 

Eine Theorie ist das Gegenteil einer Verschwörungserzählung.

Doch hier geht es mir nicht darum, die Wege der Menschen in den Kaninchenbau zu erklären. Mit geht es um eine Begriffsklärung. Denn häufig ist in diesem Zusammenhang von Verschwörungstheorien die Rede. Doch eine Theorie ist etwas anderes, eigentlich das Gegenteil zu einer Verschwörungserzählung.
Eine Theorie behauptet einen Zusammenhang. Das tut eine Verschwörungserzählung auch. Aber: In der Theorie wird dieser Zusammenhang kausal betrachtet, stellt also Beziehung von Ursache und Wirkung her. Die Theorie liefert eine mögliche Erklärung dafür, warum etwas geschieht und welchen Einfluss ein anderes Ereignis darauf hat. Und dann werden Beweise zusammengetragen, die diese Annahmen entweder widerlegen oder bestätigen. Denn Theorien sind durch empirische Methoden überprüfbar. Unser Wissen ist auf der Grundlage solcher Annahmen entstanden.
Die Annahme der NFL-Verschwörungserzählung lautet: Die Beziehung zwischen Taylor Swift und Travis Kelce wurde von der NFL inszeniert.

Damit dies den Status einer Theorie erreicht, braucht es Beweise dafür. Doch bei einer Verschwörungserzählung geht es nicht um empirische Beweisführung. Hier wird ein komplexes Phänomen auf eine einfache Erklärung zurückgeführt. Ein Grundmuster solcher Erzählungen lautet: Machtvolle Gruppen oder Personen steuern die Ereignisse, lassen aber die Öffentlichkeit über ihre Ziele im Dunkeln.

 

Der Beweis einer Verschwörungserzählung ist, dass es keinen Beweis gibt.

Das beschreibt auch den Kern dieses Erzählmusters: Weil die Gruppen so geheim agieren, gibt es gar keine Beweise. Ja, man könnte sogar die Theoriebildung karikieren und sagen: Der Beweis dafür, dass die Erzählung stimmt, liegt gerade darin, dass es keine Beweise gibt. Denn die Kräfte agieren so tief im Verborgenen, dass nichts davon bekannt wird. Also können sie auch nicht empirisch belegt werden. Natürlich auch nicht widerlegt – beides Grundvoraussetzungen für eine Theorie.

 

Korrelation statt Kausalität

Als Ersatz für Kausalität setzen Verschwörungserzählungen gerne auf Korrelation. Eine Korrelation beschreibt eine Beziehung zwischen zwei Dingen, ohne einen kausalen Zusammenhang herzustellen. So wie sich zum Beispiel die Entwicklung der Storchenpopulation und die Anzahl von Geburten miteinander verbinden lässt. Eine Beziehung im Sinne von Ursache und Wirkung stellt das in der Regel nicht dar. Deshalb sollten wir lieber von Verschwörungserzählungen oder Verschwörungsideologien sprechen.

Übrigens beträgt die berechnete Flugzeit von Tokio, wo Swift am Vorabend des Super Bowl auftritt, nach Paradise/ Nevada 13 Stunden. Auch die Quersumme des Gegners, der 49er, ergibt 13. Und die Partie der Chiefs gegen die 49er wäre die 13. Partie. Das kann doch kein Zufall sein, oder?